Wie kann Chemieunterricht für alle gelingen?

Hinweise aus der Handreichung 75 - Prävention in NRW

Allgemeine Gefährdungen im Chemieunterricht

Der Unterricht im Fach Chemie bringt erfahrungsgemäß abhängig von den Voraussetzungen der Lerngruppe, den Tätigkeiten allgemein und den örtlichen Gegebenheiten der jeweiligen Schulen unterschiedliche Gefährdungen mit sich. Mit zunemender Vielfalt der Schülerschaft sind in einigen Fällen bestimmte Schülerinnen und Schüler als besonders schutzbedürftig anzusehen.

Im Folgenden sind mögliche Gefährdungen bei Experimenten des Chemieunterrichts aufgelistet, an denen auch besonders schutzbedürftige Schülerinnen und Schüler teilnehmen, sowie Ideen und Vorschläge, wie diesen Gefährdungen adäquat begegnet werden kann. Die Bewertung und Einschätzung der möglichen Gefährdungen ist nach individueller Zusammensetzung der Lerngruppe und den Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler durchzuführen und sollte sich ebenfalls in der jeweiligen Gefährdungsbeurteilung der einzelnen Experimente widerspiegeln. Dementsprechend ist folgende Liste nicht als abschließend anzusehen.

Aus: Handreichung 75 - Prävention in NRW

GefährdungMögliche Abhilfen
Gefährdung durch Verbrennung beim Umgang mit offener Flamme (Brenner, Streichhölzer, Kerzen)
  • Gasbrenner mit Saugnäpfen zur Fixierung verwenden.
  • Längere Streichhölzer zum Anzünden verwenden.
  • Mit Heizplatten und Heizpilzen arbeiten.
  • Reagenzgläser in einem Thermoblock erhitzen.
  • Aluminiumblock als Aufsatz für einen Heiz-Magnetrührer verwenden.
  • Mit einem Wasserbad (z. B. Destillation von Aceton oder Ethanol) unter Beachtung der Siedetemperatur der Edukte und Produkte arbeiten.
  • Mit einem Heißluftgebläse arbeiten.
  • Feuerfeste Unterlage verwenden.
  • Je nach Lerngruppe Strom/Gas für die gesamte Lerngruppe erst nach Kontrolle aller Apparaturen freigeben.
  • Erhitzungsvorgänge nacheinander jeweils pro Lerngruppe/Kleingruppe durch die Lehrkraft überwachen.
  • Brennerführerschein mit den Schülerinnen und Schülern machen.
  • Im Einzelfall Versuche über eine Präsentationskamera oder mit einem Tablet präsentieren.
Gefährdung durch Bruch oder Splittern beim Umgang mit Glasgeräten oder Glasstäben
  • Falls möglich durch Kunststoff oder Metall ersetzen – z. B. durch den Einsatz von Spritzentechnik oder Bechergläser aus Kunststoff.
Gefährdung durch nicht getragene Schutzausrüstung (z. B. Schutzbrille, Haargummi, Handschuhe)
  • Schutzbrillen anschaffen, die besonders für Kindergesichter geeignet sind und einen guten Tragekomfort haben.
  • Haargummis bereithalten.
  • Handschuhe für die verschiedenen Einsatzbereiche bereithalten – z. B. Hitzeschutzhandschuhe, Säure- und Laugenschutzhandschuhe, lösungsmittelfeste Schutzhandschuhe.
  • Schutzkittel und Kopfbedeckung aus Baumwolle bereithalten, da Oberbekleidung aus leicht entflammbarem Material (z. B. synthetisches Gewebe) ein erhöhtes Risiko darstellt.
  • Hitze- und lösungsmittelbeständige Schürze für Schülerinnen und Schüler bereithalten, die nicht im Stehen experimentieren können.
SiedeverzügeErhitzen im Reagenzglas:
  • Hilfsmittel (Siedesteine, Siederöhrchen) verwenden.
  • Thermoblock verwenden.
  • Keine Flüssigkeiten im Reagenzglas eindampfen, Porzellanschale benutzen.
  • Einen Siedeverzug durch die Lehrkraft demonstrieren.
Erhitzen im Becherglas:
  • Heiz-Magnetrührer mit Rührfischen verwenden.
  • Im Abzug arbeiten.
  • Hitzebeständige Schürze für Schülerinnen und Schüler bereithalten, die nicht im Stehen experimentieren können.
Heiße Gegenstände
  • Sichere Abstellmöglichkeit für heiße Gegenstände schaffen.
  • Timer zu heißen Gegenständen legen, damit man sehen kann, wie lange die heißen Gegenstände schon auf der Ablagefläche liegen, oder ein Infrarot-Thermometer dazulegen, um die aktuelle Temperatur der Gegenstände anzuzeigen.
  • Warnhinweis Achtung: Heißer Gegenstand! aufstellen, z. B. in Form eines Piktogramms, Emoticons oder Fotos.
  • Markierte Ablageflächen z. B. mit bunter Kreide auf den Tisch zeichnen: rot für heiße Gegenstände, blau für kalte.
  • Als Hilfsmittel Hitzeschutzhandschuhe oder Greifer verwenden.
Kippen von Gegenständen
  • Sichere Aufstellung des Versuchsaufbaus beachten.
  • Kippsichere Vorrichtungen verwenden, z. B. Stative mit großer Bodenplatte.
  • Laborgeräte mit großer Bodenfläche (Erlenmeyerkolben) verwenden.
  • Apparaturen am Labortisch fixieren.
  • Gegebenenfalls Vorrichtungen im Abzug benutzen, um Stativmaterial zu sichern.
  • Im Labor nach Möglichkeit einen Vierfuß benutzen.
  • Den Aufbau von Apparaturen gut organisieren: Sicherheitsabstand zum Aufbau/zu Geräten.
  • Bechergläser zur Entsorgung in den einzelnen Tischgruppen bereitstellen (Beschriftung: Chemikalien zur Entsorgung). Die Lernenden müssen dann weniger durch den Raum laufen.
  • Hitze- und chemikalienbeständige Schürze für Schülerinnen und Schüler bereitstellen, die nicht im Stehen experimentieren können.
Gebrauch von Werkzeugen (z. B. Messer)
  • Sicherheitsmesser verwenden.
  • Gegenstände sicher mit Hilfsmitteln fixieren statt Bearbeitung in der Hand.
  • Durch die Zuweisung von Rollen innerhalb einer Gruppe (Materialbeschafferin, Protokollant, Laborantin, Sicherheitschef …) können Lernende gezielt ausgewählt werden, die verantwortungsbewusst mit Werkzeug umgehen.
  • Die Lehrkraft kann für die Schülerinnen und Schüler Arbeiten mit höherer Gefährdung übernehmen (z. B. Rotkohl vorher zerschneiden, Apfel schälen, Schläuche zurechtschneiden).
  • Werkzeug-Führerschein mit den Schülerinnen und Schülern machen.
  • Schnittschutzhandschuhe verwenden.
Probieren von Chemikalien
  • Laut RISU-NRW müssen Lebensmittel für Versuchszwecke als solche gekennzeichnet sein, z. B. durch einen Aufkleber: Lebensmittel nur für Experimente – Nicht zum Verzehr geeignet.
  • Warnhinweis Achtung: Kein Geschmacksversuch aufstellen, z. B. in Form eines Piktogramms, Emoticons oder Fotos.
  • Ausgabe von Chemikalien, die ähnliche Eigenschaften haben, aber nicht gesundheitsschädlich sind, z. B. Zitronensäure, Essigsäure statt Salzsäure.
  • Aufsicht! Nur kurzes Bereitstellen, dann Abräumen!
Platzmangel in engen Klassenräumen (Betrachtung der individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler)
  • Prüfen, ob das Experiment bei beengten Verhältnissen wirklich möglich ist.
  • Gruppe für das Experiment teilen, wenn Aufsicht gewährleistet ist.
  • Anderen Raum benutzen.